Gastbeitrag von Kathrin Situmorang
Die Geschichte vor dem Buch und die Frage: Wozu braucht man Häkelfreunde?
Eine gute Frage, denn bisher brauchte ich definitiv keine Häkelfreunde. Häkeln fand ich immer langweilig und bis auf ein paar Mützen im myboshi Stil, die ich letztes Jahr für meine Familie gehäkelt habe, weil es eben „in“ war, habe ich auch keine Häkelerfahrung. Keiner in meiner Familie ist passionierter Häkler und alles was ich an Häkelkunst kann, habe ich mir durch Ausprobieren und ein paar Anleitungsvideos im Internet selbst beigebracht – viel ist das nicht!
Was ich aber unbedingt brauche, ist jedes Jahr eine neue Herausforderung in Sachen Handarbeiten. Das ist mir wichtig, das macht mir Spaß und wie der Zufall es wollte, wünschte sich eine gute Freundin ein gehäkeltes Erdferkel. Schnell war klar, sie kauft mir Buch und Wolle, ich häkel ihr dafür das Erdferkel und am Ende sind wir beide glücklich. So fing es an und mittlerweile gibt es ein zweites Erdferkel, einen Elefanten, einen Koala, einen Affen, ein halbes Nashorn und eine Giraffe und eine Fledermaus in Planung, also genug Erfahrung um euch Edwards freche Tierparade endlich vorstellen zu können.
Über das Buch
Im Buch Edwards freche Tierparade stellt die Engländerin Kerry Lord auf je einer Doppelseite über 40 ganz unterschiedliche Häkeltiere vor. Obwohl jedes Tier in einfachen Naturtönen und nach dem gleichen Prinzip gehäkelt wird (Körper, Kopf, Beine/Arme, Ohren, ggf. Schwanz und Fell) gelingt es der Autorin durch einfache Variationen der Standardteile Tiere mit ganz verschiedenen Charakteren zu erschaffen. Dazu tragen sicherlich auch die kurzen, aber sehr liebevoll geschriebenen Charakterbeschreibungen bei, die die Autorin jedem Tier mitgegeben hat. Neben der Vorstellung von eher gewöhnlichen Tieren wie Hase, Elefant, Katze/Kater, Schaf und Affe findet man auch spezielle Tiere wie das Sattelschwein, besagtes Erdferkel, ein Grauhörnchen oder eine Fledermaus.
Das Buch gliedert sich in mehrere Teile. Nach einer kurzen Einleitung und Einführung in die Arbeitsweise des Buches folgen drei Doppelseiten zur Auswahl der Wolle, den weiteren benötigten Materialien und der verschiedenen Größen, in denen man die Tiere häkeln kann. Die Basis aller Tiere, die Standardteile und die Standardzunahme, nimmt gerade mal eine Doppelseite ein, bevor dann auf knapp 90 Seiten die verschiedenen Tiere, unterteilt in drei Schwierigkeitsstufen, präsentiert werden. Am Ende des Buches finden sich drei Doppelseiten mit allen wichtigen Technikhinweisen zu den Grundlagen, den verschiedenen Maschenarten, Zu- und Abnahme, Farbwechsel und dem Häkeln von Körperdetails. Außerdem gibt es kurze Anleitungen zur Fertigstellung der Tiere, also zum Ausstopfen und Zusammennähen sowie für das Aufsticken der Gesichtszüge und dem Annähen der Haarschöpfe und Schwänze. Ein paar mögliche Variationen zu einigen Tieren, eine Dankesseite, Autorenvorstellung, Herstellerhinweis und ein kurzes Register runden das Buch ab.
Los geht’s!
Man braucht nicht viel, um seinen ersten Häkelfreund zum Leben zu erwecken. Ein wenig Wolle, eine Häkelnadel, etwas Füllmaterial und etwas Mut zur Kreativität reichen sicher aus, um ein Tier der Schwierigkeitsstufe I häkeln zu können. Alle relevanten Techniken sind mit Text und Bildern gut erklärt und sollten auch für einen Anfänger leicht verständlich sein. Wer über minimale Grundkenntnisse verfügt, merkt sicherlich schnell, dass das größte Problem zu Beginn nicht das Häkeln selbst, sondern im Aufbau des Buches und in der Auswahl der richtigen Wolle liegt.
Zur Auswahl der Wolle werden im Buch zwar einige Hinweise gegeben, doch helfen die bei der Umsetzung nur bedingt weiter. Die Autorin verwendet ausschließlich Alpaka Wolle einer bestimmten Marke, deren Anschaffung jedoch relativ teuer ist. Zu Beginn wird man das Risiko wohl eher nicht eingehen wollen und zu anderer Wolle greifen.
Prinzipiell eignet sich laut Buch jede Wolle für das Häkeln der Tiere, die Autorin weist jedoch darauf hin, dass je nach Beschaffenheit und Farbe der gewählten Wolle die Tiere sehr anders als die Mustertiere im Buch wirken können. Einen Hinweis, den ich uneingeschränkt bekräftigen kann. Jedes meiner bisher gehäkelten Tiere ist aus einer anderen Wolle entstanden und keines sieht exakt so aus, wie das entsprechende Mustertier aus dem Buch. Schön sind sie trotzdem und wer an dieser Stelle etwas Mut, Kreativität und Vorstellungskraft hat und zudem vielleicht gute Beratung in einem Fachgeschäft bekommen kann, findet sicher auch passende Wolle in der richtigen Menge für sein Wunschtier. Nach meiner Erfahrung eignen sich nicht zu dünne aber auch nicht zu flauschige, griffige Garne, die man notfalls nachkaufen kann, wenn man nicht genug Vorrat mitgenommen hat (zur ersten Orientierung mögen die Angaben der von mir verwendeten Wolle für meine Häkeltiere dienen). Nur Mut, in der Natur sieht ja auch nicht jedes Tier gleich aus! (Anm. der Redaktion: Am Textende findest du Informationen zu den Garnen, die Kathrin verwendet hat.)
Ist das richtige Tier gefunden und die passende Wolle eingekauft, kann es dann endlich losgehen. Laut Autorin reicht eine einzige zur Wollstärke passende Häkelnadel aus, um das Tier mit all seinen Teilen zu häkeln, ich selbst benutze zwei verschiedene Häkelnadeln doch dazu später mehr. Schnell wird einem an dieser Stelle nun klar, dass man, um ein Tier fertigzustellen, viel im Buch blättern muss. Die Anleitung der Standardteile ist vorne, die Beschreibung der Besonderheiten des Tieres je nach Tier meist mittig, der Technikteile hinten und die Photos mit den Rückenansichten der Tiere ganz hinten zu finden. Das ist am Anfang recht nervig, man findet sich aber zurecht. Das Gute daran ist, dass man schon beim zweiten Tier einige der Standardteile (Beine!) schon auswendig häkeln kann und die Technikseiten immer weniger braucht. Das Buch wird also einfacher zu handhaben je länger man sich damit beschäftigt.
Das Häkeln der einzelnen Teile ist sehr gut und schlüssig beschrieben, bisher ist noch jedes Teil fertig geworden. Bei manch einem Teil, wie dem Rüssel des Erdferkels, hätte ich mir eine genauere Beschreibung gewünscht. Andere Hinweise hingegen finde ich unnötig, wie z. B. beim Koalabären, den man natürlich auch ohne die weißen Abschlusskanten an den Ohren häkeln kann.
Auch hat das Buch an der einen oder anderen Stelle Fehler im Satz, wie z.B. bei der Anleitung des Nashorns, bei der Überschriften an die falsche Stelle gerutscht sind. Das ist ärgerlich, spielt aber für die Fertigstellung des Tieres kaum eine Rolle. Die ein oder andere Ungenauigkeit könnte auch der Übersetzung aus dem Englischen geschuldet sein, wie auch immer, man kommt damit zurecht.
Bei der endgültigen Fertigstellung der Tiere, also dem Zusammennähen und Aufnähen der Gesichtszüge, mutet uns die Autorin jedoch einen gewaltigen Spielraum zu, mit dem nicht jeder klarkommen wird. Sätze wie „Schnauze ausstopfen und an der richtigen Stelle annähen […]“ oder „Die Ohren müssen von vorne noch zu sehen sein“ helfen wenig beim Finden der richtigen Position. Hier muss man durch Ausprobieren selbst aktiv werden. Manchmal hilft die Rückenansicht ganz hinten im Buch weiter, vor allem was die Position des Schwanzes und der Ohren angeht. Auf alle Fälle ist es ratsam erst alle Teile zu häkeln und dann zusammenzunähen, da man die richtige Position der Ohren leichter durch Anhalten beider Ohren findet, als wenn man nur ein Ohr zur Verfügung hat. Einige Hinweise dazu findet man auch im Technikteil des Buches. Am schwierigsten ist das Aufnähen der Gesichtszüge. Hier bleiben auch die meisten Fragen offen wie z. B. wie ich den Faden beim Augen aufnähen am Anfang fixiere. Zwar weiß man sich irgendwie zu helfen, doch wäre es schön gewesen an dieser Stelle mehr Informationen zu haben. Probieren hilft, das eine oder andere Augenpaar habe ich einige Mal wieder aufgetrennt, um es noch einmal neu zu setzen (was wiederum lustig ist, denn die Tiere schauen einem jedes Mal komplett anders an). Am Ende hat man meistens ein ganz passables Tierchen zur Hand.
Für wen eignet sich das Buch?
Als Häklerin mit minimalen Grundkenntnissen hatte ich bisher kaum Schwierigkeiten die Tiere nachzuarbeiten. Die Häkelschrift ist einfach nachzuvollziehen, im Grunde reichen Luftmaschen, feste Maschen, Zu- und Abnahmen aus, um ein einfaches Tier fertigzustellen. Man muss zählen können und sorgfältig die Reihenenden markieren, wofür im Technikteil ein recht simple und wirksame Methode erklärt wird. Gerade die Tiere der Schwierigkeitsstufe I und II sind allesamt sehr machbar und überschaubar im Zeitbedarf, es dauert also nicht ewig, bis man ein Ergebnis in den Händen hält. Durch die vielen Wiederholungen der Standardteile gewinnt man schnell an Sicherheit und das Häkeln geht zunehmend schneller und mit Spaß von der Hand. Sollte es doch einmal knifflig werden, wie z. B. beim Schließen des besagten Erdferkel Rüssels, darf man sich ruhig professionelle Hilfe holen oder muss mit Mut sich eben selbst versuchen. Anders als Strickarbeiten lässt sich Gehäkeltes aber sehr einfach auftrennen, weshalb man z. B. bei einen Zählfehler ohne große Probleme eben die Reihe aufmachen und noch einmal häkeln kann.
Geübte Häkler finden in den Tieren der Schwierigkeitsstufe III eine größere Herausforderung. Zwar bestehen auch diese Tiere aus den bewährten Standardteilen, sie haben aber mehr und aufwändigere Körperdetails wie buschige Schwänze, Haarschöpfe und Flügel oder kompliziertere Farbwechsel. Ist einem auch das zu langweilig kann man im Baukastenverfahren aus den einzelnen Anleitungen auch eigene Variationen kreieren, der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Kurzum, das Buch eignet sich ebenso gut für Anfänger wie für Fortgeschrittene. Durch die schlichten aber schönen Photos, die kleinen Geschichten, die ansprechenden Farben und die schnellen Erfolge macht es Lust auf mehr und man hat schnell eine kleine Liste an Wunschtieren im Kopf. Diese eignen sich übrigens ganz wunderbar zum Verschenken, Häkeltiere sind derzeit wieder voll im Trend! Wer es etwas farbenfroher mag, kann die Tiere auch in bunt häkeln oder sich den Folgeband „Edwards freche Tierparade Vögel“ ansehen, den ich aber noch nicht getestet habe.
Nicht geeignet ist das Buch für Menschen, die vom Kauf der Wolle bis zur endgültigen Fertigstellung des Tieres exakte Anweisungen benötigen. Gerade bei der Wahl der Wolle aber auch bei der Fertigstellung des Tieres werden einem gewollt oder ungewollt große Spielräume eingeräumt, mit denen man umgehen muss.
Zu guter Letzt…
… hatte sich meine Mama ein Tier gewünscht. Die Wolle war schnell gefunden, das Tier sollte in der Farbgebung an ein real existierendes Tier erinnern. Die Wolle war dick, das Häkeln mit einer Nadel ging wie bei den Vorgänger Tieren schnell, das Zusammennähen hat gedauert. Die richtigen Positionen wollten sich einfach nicht finden lassen – das Ergebnis ist nun hier zu sehen:
Was ist das nun für ein Tier? Die Ohren zu groß, die Schnauze zu klein, die Augen zu weit oben… Ich hatte es mir ein wenig anders vorgestellt und seitdem nutze ich für gewisse Teile wie die Ohren eine kleinere Häkelnadel, um die Proportionen zu halten. Ob man das braucht oder nicht, hängt wohl auch davon ab, wie fest und fein man häkelt, auch das muss man selbst ausprobieren. Hübsch ist er trotzdem – der Kater-Hasen-Maulwurf-Hund und ich bin schon sehr gespannt, wie das nächste Tier aussehen wird!
Denn ohne Häkelfreunde geht es irgendwie im Moment nicht mehr.
Über das Buch
Edwards freche Tierparade
40 kuschelweiche Häkelfreunde
von Kerry Lord
TOPP Verlag 2015,
ISBN 978-3-7724-6385-3
16,99€ (D), 17,50€ (A)
Über die Gastautorin Kathrin Situmorang
Kathrin Situmorang lebt mir ihrem Mann und den beiden Kindern in Bonn. Sie stammt aus einer Familie, in der Handarbeiten und Selbermachen schon immer zum Alltag dazu gehörten. Aus Freude und Neugier an neuen Techniken und abwechslungsreichen Projekten sucht sie sich regelmäßig neue Herausforderungen zum Sticken, Stricken, Nähen, Häkeln… Dabei beginnt sie schon zeitig im Jahr mit den Planungen, um alle ihre Lieben zu Festtagen mit selbst gemachten Geschenken zu überraschen. In diesem Jahr werden auch sicher einige ganz besondere Häkelfreunde dazu gehören.
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