Ein Interview mit Sarah Stosno von „Ein Koffer voll Wolle“
Als Kind saß ich oft neben meiner Oma und beobachtete gebannt, wie sie mit geschickten Händen die Stricksocken der Familie stopfte. Die Art und Weise, wie sie Flecken über die Löcher webte und dabei die Nadel mal unter, mal über die Spannfäden bewegte, faszinierte mich zutiefst. Es war ein wahres Kunstwerk, das sich vor meinen Augen entfaltete. Jahre später finde ich diese Faszination erneut, wenn ich Sarah auf ihrem Instagram-Account @ein_koffer_voll_wolle oder ihrem YouTube-Kanal zusehe, wie sie wie von Zauberhand Kleidungsstücken mit Löchern oder Rissen ein zweites Leben einhaucht. Es ist nicht nur inspirierend, sondern auch unglaublich entspannend. Die Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart, die durch diese Kunst des Reparierens hergestellt wird, ist für mich etwas ganz Besonderes. Deshalb habe ich Sarah gefragt, ob sie mir in einem Interview ein wenig über das Stopfen von Strickstücken und ihren Strickaktivitäten erzählen mag.
Barbara: Liebe Sarah, es ist wirklich großartig, dass du heute Zeit für dieses Interview gefunden hast. Könntest du dich zunächst einmal kurz vorstellen und uns erzählen, wie du zum Stricken gekommen bist und wie die Idee für den Namen “Ein Koffer voll Wolle” entstanden ist?
Sarah: Ja, gerne, liebe Barbara! Der Name “Ein Koffer voll Wolle” und die Geschichte, wie ich zum Stricken gekommen bin, sind eng miteinander verbunden. Ich habe 2015 einer Verwandten bei der Auflösung ihrer Wohnung geholfen und im Zuge dessen sind wir auf einen Koffer gestoßen, der voll mit Wolle war – weil die Verwandte früher selbst gern gehäkelt und gestrickt hat. Da ich es zu schade fand, die Wolle wegzuschmeißen, habe ich im Internet recherchiert, wohin ich die Wolle vielleicht spenden könnte und bin auf die Berliner Initiative “Helfen WOLLEn” gestoßen, die Spenden für obdachlose Menschen annimmt und an Hilfseinrichtungen verteilt. Da ich als Kind mal Häkeln gelernt hatte, habe ich dann begonnen, aus der Wolle Mützen zu häkeln, die ich dann an HelfenWOLLEn gespendet habe. Und damit hatte mich das Hobby gepackt. 2017 habe ich mir dann das Stricken beigebracht.
Deine Videos strahlen eine echte Leidenschaft für das Stopfen von Strickstücken aus. Was genau fasziniert dich so an dieser Kunst? Gibt es vielleicht eine besondere Geschichte oder Erinnerung, die dazu geführt hat, dass du diese Leidenschaft entwickelt hast?
Sarah: Meine Oma und auch meine Mutter haben schon immer gestopft und gestopfte Socken kenne ich daher auch noch aus meiner Kindheit. Selbst bin ich aber eher durch die Themen Minimalismus, Plastikvermeidung und Fast Fashion zum Stopfen und Reparieren gekommen. Diese Themen begleiten mich jetzt schon ein paar Jahre. Und wenn man eher minimalistisch lebt und möglichst wenig neue Kleidung konsumieren will, muss man früher oder später seine Kleidung reparieren. Und die Vielfalt, die es beim Reparieren gibt, finde ich sehr faszinierend und spannend zu erlernen.
Mir ist aufgefallen, dass bei einem meiner Sockenpaare das Gewebe an der Ferse bereits dünn ist und sich vom ursprünglichen Strickmuster unterscheidet. Würdest du empfehlen, bereits jetzt Maßnahmen zu ergreifen oder ist es sinnvoller, abzuwarten, bis ein Loch entstanden ist, und dann mit der Reparatur zu beginnen? Wie gehst du persönlich mit solchen Situationen um? Gibt es bestimmte Überlegungen, die deine Entscheidung beeinflussen?
Sarah: Ich würde auf jeden Fall immer empfehlen, dünne Stellen zu verstärken, bevor ein Loch entsteht! Das ist wesentlich einfacher und geht auch schneller als die Reparatur von einem Loch. Man spart sich da einige Nerven und Zeit, wenn man es gar nicht erst zu einem Loch kommen lässt.
Falls ich mich dazu entscheide, meine Socken zu reparieren, welche Materialien und Werkzeuge benötige ich dafür?
Sarah: Das Wichtigste beim Reparieren sind das passende Garn und eine Nadel. Ein Stopfpilz ist sehr praktisch – aber wenn man den nicht hat, lassen sich Tennisbälle, Kartoffeln, Suppenkellen oder generell alle Gegenstände mit einer glatten Fläche zu einem Stopfpilz umfunktionieren. Mehr braucht es eigentlich nicht.
Das Stopfen von Strickstücken bietet verschiedene Möglichkeiten. Gibt es bestimmte Techniken, die du bevorzugst, und könntest du uns vielleicht erzählen, warum das so ist? Gibt es spezielle Methoden, die du in deinen Videos teilst und die du besonders wirkungsvoll oder kreativ findest?
Sarah: Viele denken beim Stopfen zuerst immer an die Webtechnik. Die ist sehr unkompliziert und geht schnell. Ich würde bei Stricksachen aber fast immer den Maschenstich bzw. Swiss Darning empfehlen. Das ist anfangs etwas komplizierter, aber wenn man einmal den Dreh raushat, gar nicht mehr schwer. Der Vorteil vom Maschenstich ist, dass er Gestricktes “nachahmt” und man die Dehnbarkeit des Materials erhalten kann. Gewebte Reparaturen sind im Vergleich dazu immer etwas starr und fügen sich nicht so schön ins Strickstück ein.
Jede Handwerkskunst birgt ihre eigenen Herausforderungen. Welche Schwierigkeiten oder Hindernisse hast du beim Stopfen von Strickstücken bisher erlebt und wie gehst du damit um? Gibt es möglicherweise Tipps, die du Anfängern geben könntest, um solche Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen?
Sarah: Vor allem als Anfängerin fiel es mir immer schwer, mich für eine Technik zu entscheiden, weil ich mir nicht sicher war, welche sich am besten eignen würde. Arbeitet man mit Flicken? Welche Stiche passen zum Stoff und halten gut? Webtechnik oder Swiss Darning? Und welches Garn ist das Richtige? Vieles lernt man da einfach durch Übung und Erfahrung oder von anderen Stopferinnen.
Bei Stricksachen ist es oft schwierig, ein passendes Garn im richtigen Farbton zu finden. Da versuche ich dann von anderen Stellen des Kleidungsstücks Garn zu “ernten” oder wenn das nicht möglich ist, behelfe ich mir auch gern durch Visible Mending – also bewusst sichtbares Stopfen und Reparieren, bei dem man erst gar nicht versucht, die Reparatur zu verstecken.
Das Reparieren von Kleidungsstücken, einschließlich Strickwaren, passt gut zu einem nachhaltigen Lebensstil. Wie wichtig ist Nachhaltigkeit für dich im Allgemeinen und insbesondere im Kontext des Stopfens von Strickstücken?
Sarah: Nachhaltigkeit durch weniger Konsum ist mir generell sehr wichtig. Kleidung insbesondere Fast Fashion ist leider eine der größten Belastungen für die Umwelt – sei es während der Produktion, aber auch durchs Waschen und die Entsorgung alter Kleidung. Wenn man da ein wenig den Konsum reduzieren kann, ist das eine gute Sache. Übrigens auch für den eigenen Geldbeutel!
Was ich zu diesem Thema auch spannend finde, ist die Frage: Wie lange versuchst du ein Kleidungsstück zu reparieren, ehe du sagst: „Nein, jetzt bin ich an einem Punkt angelangt, da kann auch ich nichts mehr machen. Das Kleidungsstück hat ausgedient.“?
Sarah: Generell gebe ich eigentlich jedem Kleidungsstück eine Chance. Bei selbstgestrickter Kleidung würde ich immer wieder für eine Reparatur plädieren, denn in den Kleidungsstücken steckt oft so viel Herzblut und Zeit – das lohnt immer. Wenn eine Stelle bei gekaufter Kleidung zum zweiten oder dritten Mal reißt, würde ich wahrscheinlich irgendwann aufgeben. Ausnahmen sind da vielleicht Kleidungsstücke von geliebten Menschen oder Erinnerungsstücke – da stopft man auch zum vierten, fünften oder zehnten Mal…
Es ist offensichtlich, dass du durch deine Videos viele Menschen inspirierst. Gibt es jemanden, der dich selbst in Bezug auf das Stopfen oder Reparieren von Strickstücken inspiriert hat oder den du bewunderst?
Sarah: Es gibt einige Instagram-Accounts, die mir anfangs geholfen haben und mich auch jetzt noch inspirieren. Dazu gehören zum Beispiel Vera von “Reparieren Ist Liebe“, Ekaterina von „EkaterinaHaak“ oder Alexandra von „Alexandra Brinck“.
Diese Frauen sind echte Künstlerinnen!
Sarah Stosno
Personen, die dir auf Instagram folgen, sind mit deinem vielseitigen Engagement vertraut. Du setzt nicht nur Nadel und Faden ein, um Strickstücke zu reparieren, sondern schwingst auch die Stricknadeln, um Spendenkörbe mit wundervollen Accessoires wie Mützen, Loops, Handstulpen und Socken zu füllen. Welche Empfängerinnen und Empfänger dürfen sich über diese ansprechenden Accessoires freuen, und was ist deine Motivation dahinter?
Sarah: Die meisten meiner Spendenstücke gehen an die Berliner Initiative “Helfen WOLLEn”, die Stricksachen an obdachlose Menschen und Hilfseinrichtungen verteilt. Aus Garnen, die sich weniger dafür eignen, stricke ich gerne Mützen, die dann an den “Kölner Herzkissen e.V.” für an Krebs erkrankte Menschen gehen oder an Diana von “Fibers4Fighters” die immer gern Mützen für Frühchen oder auch Tücher von Onkologie-Patientinnen annimmt. Ich finde es einfach wunderbar, wenn ich mit meinem Hobby anderen eine Freude machen und helfen kann. Und würde ich nicht so viel für gemeinnützige Initiativen stricken, wüsste ich gar nicht, wohin mit all den Stricksachen!
Liebe Sarah, ich freue mich darauf, bald noch mehr über deine Leidenschaft und dein Wissen zum Stopfen von Strickstücken zu erfahren. Unseren Lesern kann ich auch deine verschiedenen Anleitungen und Stricktutorial/-tipp-Videos empfehlen.
Vielen lieben Dank, dass du deine Erfahrungen und Einblicke mit den sockshype-Lesern und mir teilst!
Hier findest du Sarah:
Und möchtest du einmal ein Loch in deinen Filzpuschen flicken, dann findest du auf sockshype dazu auch einen Beitrag.
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